26.6   Handlungen und Unterlassungen des Abladers etc. (§ 608 Abs. I Nr. 5 HGB)
Handlungen oder Unterlassungen des Abladers sind vor allem unzureichende Verpackung und Markierung der Güter. Die Verpackung muss zum Seetransport geeignet sein. Ablader ist, wer aufgrund eines - nicht notwendig von ihm geschlossenen - Frachtvertrages die Güter dem Verfrachter durch Lieferung direkt an oder auf das Schiff übergibt.
 
 
Urteil 53: § 608 Abs. I. Nr. 5. HGB Container und Handlungen und Unterlassungen des Abladers
Auch bei einer ungenügenden Befestigung von Gütern auf einem Flatrackcontainer gebietet es die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Verfrachters, ausgleichende Maßnahmen zu ergreifen, um einen Verlust bzw. eine Beschädigung der Güter zu verhindern [58]. Eine Schadenersatzpflicht des Verfrachters folgt daraus, dass die Schiffsführung nach dem ersten Verrutschen der Ladung trotz der sich stark verschlechternden Wetterlage die Fahrt mit gleicher Geschwindigkeit fortgesetzt hat, dadurch die Roll- und Stampfbewegungen des Schiffes beibehielt, sodass die für die Besatzung mittlerweile erkennbar ungenügend gelaschte Ladung der betroffenen Flats über Bord ging bzw. verrutschte. Auch bei einem zum Haftungsausschluss gemäß § 608 Abs. 1 Nr. 5 HGB führenden Verpackungsmangel darf der Verfrachter nicht beliebig mit den Gütern verfahren. Vielmehr gebietet es die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters, ausgleichende Maßnahmen zu ergreifen, sofern diese Maßnahmen dem Verfrachter möglich und zumutbar sind.
 
In diesem Zusammenhang kann sich der Verfrachter nicht darauf berufen, es habe insoweit ein nautisches Verschulden der Schiffsführung vorgelegen, für das er gemäß § 607 Abs. 2 HGB nicht einzustehen habe. Unter einem nautischen Verschulden versteht man ein Fehlverhalten bei der Führung oder sonstigen Bedienung des Schiffes. Bei der Entscheidung über die Geschwindigkeit des Schiffes mag es zwar vordergründig um ein positives navigatorisches Tun, nämlich um die Führung des Schiffes hinsichtlich der Fortbewegung gehen. Der Schwerpunkt des Sinngehaltes, bezogen auf das Verhalten der Schiffsführung, liegt jedoch auf dem Unterlassen der im Hinblick auf die mangelhaft gesicherte Ladung einzig richtigen Maßnahme, die Geschwindigkeit aus dem Schiff herauszunehmen, eine Maßnahme, die nach ihrer konkreten Zweckbestimmung allein im Interesse der Ladung lag, nicht aber im Interesse des durch den Seegang und das Wetter keineswegs gefährdeten Schiffes hätte ergriffen werden müssen.
 
Da dem Verfrachter anzulasten ist, dass er in Kenntnis der mangelhaften Sicherung der Ladung keine ladungssichernden Maßnahmen getroffen hat, § 606 HGB, nämlich die Geschwindigkeit des Schiffes deutlich herabzusetzen, und dem Ablader anzulasten ist, dass die von ihm vorgenommene Laschung der Maschinenteile auf den Flats mangelhaft gewesen ist, § 608 Abs. 1 Nr. 5 HGB, ist unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 BGB der Schaden entsprechend der gegenseitigen Verursachungs- bzw. Verschuldensbeiträge zu verteilen; hierbei kommt das Gericht zu einer Schadensteilung von einem Drittel zulasten der Klägerin und zwei Dritteln zulasten der Beklagten.
 
Urteil 54: § 608 Abs. I. Nr. 5. HGB Container und Handlungen und Unterlassungen des Abladers
Da der Ablader über die erforderliche Warenkunde verfügen muss, um die Eignung des ihm von der Reederei zur Verfügung gestellten Containertyps für die Beförderung seiner Ware beurteilen zu können, greift der Haftungsausschluss des § 608 I 5. HGB durch, wenn er einen aufgrund der besonderen Eigenarten seiner Ware für die Beförderung ungeeigneten Containertyp nicht zurückweist, sondern die Ware in den ungeeigneten Containern zur Verschiffung bringt [59]. In diesem Fall war ein Container mit Ventilationsöffnungen für den Transport von Knoblauch ungeeignet. Hierbei handelt es sich um ein Ablader/Befrachter-Verschulden. Dessen Aufgabe ist es nämlich, die ihm zur Verfügung gestellten Container auf ihre Eignung zu prüfen.
 
Urteil 55: § 608 Abs. I. Nr. 5. HGB Container und Handlungen und Unterlassungen des Abladers
Bananen sind im Kühlfahrzeug (oder -Container) im Block zu stauen [60]. Auf diese Weise kann die gekühlte Luft über die gestauten Blöcke geblasen werden, sodass die Luft dann durch die Schlitze der Kartons die Bananen kühlen, während sie zu Boden sinkt. Bei einer Stauung in der Weise, dass ein größerer Abstand zu den seitlichen Wänden eingehalten wird, besteht hingegen die Gefahr, dass sich der Luftstrom den Weg um das zu kühlende Gut sucht und es somit nicht ausreichend mit gekühlter Luft umstrichen wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Luftstrom nicht nur die Aufgabe der Kühlung hat, sondern auch die CO2-Gase abführen soll, die bei der natürlichen Reife der Früchte entstehen.
 
Urteil 56: § 608 Abs. I. Nr. 5. HGB Container und Handlungen und Unterlassungen des Abladers
Beim Zusammentreffen der Haftung aus § 606.2 HGB mit einem Nichthaften des Verfrachters über § 608.1 HGB ist der Rechtsgedanke des § 254 BGB (Schadenteilung) heranzuziehen [61]. Bei diesem Fall lag die Hauptursache des Schadens in einem Fehler im Kältemittelkreislauf eines Containers, der vom Befrachter gestellt wurde. Da der Verfrachter nach § 608 Abs. 1 Nr. 5 HGB nicht für Schäden haftet, die aus Handlungen des Abladers oder Eigentümer des Gutes, seiner Agenten oder Vertreter entstehen, war somit seine Haftung nicht gegeben. Allerdings konnte seine Haftung nicht gänzlich entfallen, weil ihm bei der gebotenen sorgfältigen Beobachtung des Containers hätte auffallen müssen, dass etwas mit der Kühlung nicht in Ordnung war. Bei einer zu fordernden routinemäßigen Kontrolle, nachdem der Container an Bord gekommen und an das bordeigene Stromnetz angeschlossen worden war, hätte sich gezeigt, dass die Kühlleistung nicht ausreichend war. Dies hätte ein Warnzeichen sein müssen, diesem Container besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Eine erhöhte Ladungsfürsorge war angezeigt. Trotz der sicherlich gegebenen Belastung der Besatzung vor dem Auslaufen muss verlangt werden, dass einer derart festgestellten Auffälligkeit nachgegangen wird, um sie abzustellen oder zu beheben. War es nicht möglich, hätte der Verfrachter Gelegenheit gehabt, den Container wieder an Land setzen zu lassen. Dafür war genügend Zeit vorhanden (fünf Stunden) und der Container befand sich auch so an Deck gestaut, dass dieses ohne weiteres möglich gewesen wäre. Eine Kontrolle und Überwachung war auch deswegen besonders angezeigt, weil für den Verfrachter nach dem Auslaufen keinerlei Möglichkeit mehr bestand, Eingriffe in das Kühlaggregat selbst vorzunehmen. Diese Konstellation führt zu eine Ein-Drittel-Mithaftung des Verfrachters.
 
§ 608 HGB (Vermutete Nichthaftung des Verfrachters)
 
  1. Der Verfrachter haftet nicht für Schäden, die entstehen:
     
  1. aus Gefahren und Unfällen der See oder anderer schiffbarer Gewässer
     
  2. aus kriegerischen Ereignissen, Unruhen, Handlungen öffentlicher Feinde oder Verfügungen von hoher Hand sowie aus Quarantänebeschränkungen
     
  3. aus gerichtlicher Beschlagnahme
     
  4. aus Streik, Aussperrung oder einer sonstigen Arbeitsbehinderung
     
  5. aus Handlungen oder Unterlassungen des Abladers oder Eigentümer des Gutes, seiner Agenten oder Vertreter
     
  6. aus der Rettung oder dem Versuch der Rettung von Leben oder Eigentum zur See
     
  7. aus Schwund an Raumgehalt oder Gewicht oder aus verborgenen Mängeln oder der eigentümlichen natürlichen Art oder Beschaffenheit des Gutes.
     
  1. Ist ein Schaden eingetreten, der nach den Umständen des Falles aus einer der in Absatz 1 bezeichneten Gefahren entstehen konnte, so wird vermutet, dass der Schaden aus dieser Gefahr entstanden ist.
     
  2. Die Haftungsbefreiung tritt nicht ein, wenn nachgewiesen wird, dass der Eintritt der Gefahr auf einem Umstand beruht, den der Verfrachter zu vertreten hat.

Abbildung 35: § 608 HGB (Vermutete Nichthaftung des Verfrachters)
 

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