24.1   Beförderung im offenen Waggon
(§ 83 EVO / Art. 36 ER/CIM 1990)
Eine Beförderung im "offenen Wagen" (sogenannter O-Wagen) bedeutet eine Gefahrerhöhung im Vergleich zu einer Beförderung im gedeckten Wagen. Für die Wirksamkeit des Ausschlusses muss daher eine Sondergefahr vorliegen, die sich aus der Beförderung mit offenen Wagen ergibt, wobei als Maßstab der Vergleich mit einer Beförderung in gedeckten Wagen herangezogen werden muss. Tatbestände, die bei der Beförderung in gedeckten und offenen Wagen zu denselben Gefährdungen für das Gut führen, scheiden als Sondergefahren aus.
 
 
Urteil 35: § 83 EVO / Artikel 36 ER/CIM 1990 Container und Beförderung im offenen Waggon
Dreht sich der unter einem Container befindliche, an dem Waggon fest angebrachte Drehrahmen, verwirklicht sich nicht die mit der Beförderung im offenen Wagen typischerweise verbundene Gefahrerhöhung [36]. Nach § 66 Abs. 2 EVO sind offene Wagen solche ohne festes Dach. § 83 Abs. 1 a EVO greift nur dann, wenn sich die mit der Beförderung auf einem offenen Wagen verbundene Gefahr verwirklicht hat. Diese Gefahren bestehen darin, dass das Gut beim Transport mit offenen Wagen äußeren Einwirkungen ausgesetzt ist wie Witterungseinflüssen, Berührung der Fahrleitung oder von Tunnelwänden, böswilligen, mutwilligen, fahrlässigen oder zufälligen Handlungen Betriebsfremder oder das Herabfallen von Teilen der Ladung über die Seitenwände des Wagens. Dagegen scheiden Tatbestände aus, die bei der Beförderung von offenen und gedeckten Wagen zu derselben Gefährdung führen. Im vorliegenden Fall hat sich nicht die mit der Beförderung auf offenem Wagen typische Gefahrerhöhung verwirklicht, weil nicht die Ladung als solche herabgefallen oder sich auf dem offenen Wagen gedreht hat. Vielmehr hat sich der unter dem Container an dem Wagen fest angebrachte Drehrahmen gedreht. Nicht die Ladung im eigentlichen Sinne hat den Unfall verursacht, sondern Bestandteile des Waggons.

 
§ 83 EVO (Beschränkung der Haftung bei besonderen Gefahren)
 
  1. Die Eisenbahn haftet nicht für Schäden, die aus einer oder mehreren der nachbenannten Ursachen entstehen:
     
  1. aus der mit der Beförderung in offenen Wagen verbundenen Gefahr für Güter, die nach den Vorschriften dieser Ordnung oder des Tarifs oder nach einer im Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung mit dem Absender auf diese Weise befördert werden
     
  2. aus der mit dem Fehlen einer Verpackung oder mit mangelhafter Verladung verbundenen Gefahr für Güter, die ohne Verpackung ihrer Natur nach Verlusten oder Beschädigungen ausgesetzt sind
     
  3. aus der mit dem Ver- oder Ausladen oder mit mangelhafter Verladung verbundenen Gefahr für Güter, die nach den Vorschriften dieser Ordnung oder des Tarifs oder nach einer in den Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung mit dem Absender von diesem verladen oder nach Vereinbarung mit dem Empfänger von diesem ausgeladen werden
     
  4. aus der besonderen Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlusts oder der Beschädigung, namentlich Bruch, Rosten, inneren Verderb, außergewöhnlichen Rinnverlust, Austrocknen, Verstreuen, der gewisse Güter nach ihrer eigentümlichen natürlichen Beschaffenheit ausgesetzt sind;
     
  5. aus der Gefahr, die daraus entsteht, dass der Absender von der Beförderung ausgeschlossene Gegenstände unter unrichtiger, ungenauer oder unvollständiger Bezeichnung aufgibt oder dass er nur bedingt zur Beförderung zugelassene Gegenstände unter unrichtiger, ungenauer oder unvollständiger Bezeichnung oder unter Außerachtlassung der vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln aufgibt
     
  6. aus der für lebende Tiere mit der Beförderung verbundenen besonderen Gefahr
     
  7. aus der Gefahr, deren Abwendung durch die Begleitung von lebenden Tieren oder von Gütern bezweckt wird, wenn diese Tiere oder Güter nach den Bestimmungen dieser Ordnung oder des Tarifs oder nach einer in den Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung mit dem Absender begleitet werden müssen.
     
  1. Konnte nach den Umständen des Falles ein Schaden aus einer oder mehreren dieser Ursachen entstehen, so wird bis zum Nachweis des Gegenteils durch den Berechtigten vermutet, dass der Schaden daraus entstanden ist. Diese Vermutung gilt im Falle des Abs. (1) a) nicht bei außergewöhnlichem Abgang oder bei Verlust von ganzen Stücken.
     
  2. Eine Befreiung von der Haftung aufgrund dieser Vorschriften kann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schaden durch Verschulden der Eisenbahn entstanden ist.

Abbildung 23: § 83 EVO (Beschränkung der Haftung bei besonderen Gefahren)
 
 
Artikel 36 ER/CIM 1990 (Umfang der Haftung)
 
§ 1 Die Eisenbahn haftet für den Schaden, der durch gänzlichen oder teilweisen Verlust oder durch Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme zur Beförderung bis zur Ablieferung sowie durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht.
 
§ 2 Die Eisenbahn ist von dieser Haftung befreit, wenn der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist durch ein Verschulden des Berechtigten, eine nicht von der Bahn verschuldete Anweisung des Berechtigten, besondere Mängel des Gutes (inneren Verderb, Schwund usw.) oder Umstände verursacht worden ist, welche die Eisenbahn nicht vermeiden und deren Folgen sie nicht abwenden konnte.
 
§ 3 Die Eisenbahn ist von dieser Haftung befreit, wenn der Verlust oder die Beschädigung aus der mit einer oder mehreren der folgenden Tatsachen verbundenen besonderen Gefahr entstanden ist:
  1. Beförderung in offenen Wagen gemäß den maßgebenden Bestimmungen oder gemäß einer in den Frachtbrief aufgenommenen Abmachung zwischen dem Absender und der Eisenbahn
     
  2. Fehlen oder Mängel der Verpackung bei Gütern, die ihrer Natur nach bei fehlender oder mangelhafter Verpackung Verlusten oder Beschädigungen ausgesetzt sind
     
  3. Verladen der Güter durch den Absender oder Ausladen durch den Empfänger gemäß den maßgebenden Bestimmungen oder einer in den Frachtbrief aufgenommenen Abmachung zwischen dem Absender und der Eisenbahn oder einer Abmachung zwischen dem Empfänger und der Eisenbahn
     
  4. mangelhafte Verladung, sofern die Verladung vom Absender gemäß den maßgebenden Bestimmungen oder einer in den Frachtbrief aufgenommenen Abmachung zwischen ihm und der Eisenbahn vorgenommen wurde
     
  5. Erfüllung der zoll- oder sonstigen verwaltungsbehördlichen Vorschriften durch den Absender, den Empfänger oder einen Beauftragten
     
  6. natürliche Beschaffenheit gewisser Güter, derzufolge sie gänzlichem oder teilweisem Verlust oder Beschädigung, insbesondere durch Bruch, Rost, inneren Verderb, Austrocknen, Verstreuen, ausgesetzt sind
     
  7. unrichtige, ungenaue oder unvollständige Bezeichnung der von der Beförderung ausgeschlossenen oder nur bedingungsweise zugelassenen Gegenstände oder Nichtbeachtung der vorgeschriebenen Vorsichtsmaßnahmen für bedingungsweise zur Beförderung zugelassene Gegenstände durch den Absender
     
  8. Beförderung lebender Tiere
     
  9. Beförderung, die gemäß den maßgebenden Bestimmungen oder einer in den Frachtbrief aufgenommenen Abmachung zwischen dem Absender und der Eisenbahn unter Begleitung durchzuführen ist, wenn der Verlust oder die Beschädigung aus einer Gefahr entstanden ist, die durch die Begleitung abgewendet werden sollte.

Abbildung 24: Artikel 36 ER/CIM 1990 (Umfang der Haftung)
 

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