19.2   Faserstoffe
Charakteristik und Containerfähigkeit
 
"Faserstoff" ist der Sammelbegriff für alle faser- und fadenförmigen Gebilde, die von großer Feinheit sind. Sie dienen als Ausgangsmaterial für Bekleidung, Haushaltstextilien und Industriewaren.
 
Die Fasern werden in Natur- und Chemiefasern eingeteilt.
 
Mit Wassergehalten von 5-14 % gehören Faserstoffe, vor allem pflanzlicher Herkunft, der Wassergehaltsstufe 2 (WGS 2) an. Durch die Bearbeitung sind es Waren mit unterbrochenen Respirationsprozessen, bei denen jedoch weiterhin biochemische, mikrobielle und andere Zersetzungsprozesse ablaufen, sie sind also Waren mit biotischer Aktivität 3. Ordnung (BA 3). Faserstoffe erfordern eine Temperatur-, Feuchte- und ggf. Lüftungs-Kondition (LK VI).
 
Faserstoffe werden in Standardcontainern bei Einhaltung der Grenzen des Wassergehalts von Ware, Verpackung und Containerboden transportiert.
 
 
Transporthinweise und Schäden
 
Verpackung
Meist erfolgt der Transport von Faserstoffen in Ballen, die unterschiedlich stark gepresst und mit Bandeisen oder Draht fest verschnürt sind. Zum Schutz vor Verunreinigungen und Nässe werden die Ballen in Jute- oder Kunststoffgewebe eingehüllt. Darüber hinaus werden auch Plastikfolien mit Perforation zur Regelung der Ballenfeuchtigkeit verwendet. Bei der Containerbeladung ist darauf zu achten, dass die Umreifungen der Ballen nicht beschädigt werden. Unbeschädigte Umreifungen sind die Voraussetzung dafür, dass die Pressung der Ballen während des Transports erhalten bleibt. Ist sie zerstört, lockert sich die Pressung, die eine erhöhte Sauerstoffzufuhr ins Innere der Ballen zur Folge hat. Diese fördert wiederum die Selbsterhitzung/-entzündung der Ballen.
 
Hygroskopizität
Die Tabelle 27 enthält einige Wassergehalte von Naturfaserstoffen.
 
 
Naturfaserstoff Wassergehalt in % Gleichgewichtsfeuchte in  %
Baumwolle 7,85...8,50 65
Esparto 7,00...14,00 65
Flachs 10,00...12,00 65
Flachsgrünwerg 10,00...12,00 65
Hanf 10,00...12,00 65
Jute 12,50...14,00 65
Kapok 8,50 65
Kokosfasern 12,00 65
Manilahanf 5,00...12,00 55
Palmfasern 12,00 65
Piassava 16,00 70
Raffia 12,00 65
Ramie 7,50...12,00 65
Sisalhanf 5,00...12,00 55
Stuhlrohr (Rattan) 10,00...12,00 65
Watte 7,85...8,500 70

   Tabelle 27: Wassergehalte einiger Naturfaserstoffe
 
 
Naturfaserstoffe müssen vor jeglicher Feuchtigkeit geschützt werden, sei es vor zu hoher Luftfeuchte oder See-, Regen- und Kondenswasser, um Verrottung, Verfärbung, Schimmel, Stockflecke und Fäulnis zu vermeiden. Faserstoffe neigen bei Feuchteeinwirkung schnell zu Verfärbungen der Faser bis zur Schwärze, haben einen dumpfen Geruch und werden schimmlig und stockfleckig, auch verliert die Faser an Reißfestigkeit und Elastizität, sie unterliegt mehr oder weniger der Verrottungsgefahr. Bei Stahlband- und Drahtumreifungen kann es zur Korrosion und damit zu Rostschäden kommen.
 

Abbildung 175: Sorptionsisothermen einiger Faserstoffe [4]
 
1 - Wolle
2 - Viskoseseide
3 - Naturseide (Bombyxseide)
4 - Baumwolle
5 - Polyamid 6
6 - Polyakrylnitrilfaser
7 - Polyesterfaser

Abb. 175 zeigt einige Sorptionsisothermen von Faserstoffen. Diese lassen erkennen, dass die Naturfaserstoffe, wie Baumwolle, Wolle und Bombyxseide, ein ausgeprägt hygroskopisches Verhalten aufweisen und die Chemiefasern dagegen von geringerer Hygroskopizität sind. Die Naturfaserstoffe können dabei intensiv Wasserdampf aufnehmen, ohne dass sie sich feucht anfühlen. So kann z. B. Baumwolle bei einer rel. Luftfeuchte von 95 % ihren Wassergehalt auf 25-27 % erhöhen, ohne sich nass anzufühlen. Durch Quellung können Baumwollballen ihr Volumen um 40-45 % vergrößern. Derartige Quellungen können Container zum Bersten bringen.
 
 
Faserstoff Quellfähigkeit in %
Baumwolle 40...45
Flachs bis 20
Hanf bis 30
Jute bis 34
Wolle bis 30
Naturseide 20...40
Asbest 0
Viskosefaserstoff 85...120
Kupferfaserstoff 85...120
Azetatfaserstoff 20...25
Glasseiden 0
Polyvinylchloridfasern 0,1
Polyakrylnitrilfasern 4,0
Polyamidfasern 13,0
Polyesterfasern 3,0...4,0

   Tabelle 28: Quellfähigkeit einiger Faserstoffe
 
 
Feuergefährlichkeit
 
Natürliche Faserstoffe sowie chemische Faserstoffe, deren Ausgangsstoffe natürliche Faserstoffe sind, neigen zur Selbsterhitzung/-entzündung (s. Kap. 13.6). Aber auch durch Fremdzündung sind häufig Brände entstanden. Die Ursache ist vor allem im Aufbau der Faserstoffe selbst zu suchen: der hohe Rohfaseranteil, der bei den pflanzlichen Fasern aus Zellulose besteht, die Begleitstoffe, wie Öle, Fette und Talg, der Einfluss von Feuchte, die schlechte Wärmeleitfähigkeit sowie eine Sauerstoffquelle, die durch das gut ausgeprägte Lumen der Pflanzenfasern bzw. der Medulla der tierischen Fasern gegeben ist (s. Abb. 176, 178). Hinzu kommt die Tätigkeit der Mikroorganismen. Es genügen schon Spuren pflanzlicher oder tierischer Öle oder Fette, um durch den Abbau organischer Stoffe eine Selbsterhitzung zu verursachen. Wolle kann z. B. nie ganz entfettet werden.
 
Abbildung 176: Querschnitt durch eine
Baumwollfaser [4]
 
1 - Wachsschicht
2 - Primärwand
3 - Sekundärwand
4 - Tertiärwand
5 - Lumen
Abbildung 177: Baumwolle, egreniert, d. h. von den Samen befreit;
Foto: U. Scharnow
AAbbildung 178: Querschnitt durch eine Wollfaser [4]
 
1 - Schuppenschicht
2 - Zwischenmembran
3 - Spindelzellschicht (Kortex)
4 - Lanain
5 - Markstrang (Medulla)
Der Brand von Faserstoffballen kann oft erst spät erkannt werden: Der hierzu erforderliche Sauerstoff wird von der im Lumen oder der Medulla eingeschlossenen Luft geliefert, die ausreicht, um wochenlang Schwelbrände aufrechtzuerhalten. Sie sind daher auch schwer zu löschen, wozu CO2, Schaum u. Ä. verwendet werden. Wasser als Löschmittel ist wegen der Quellung ungeeignet (s. Tab. 27).
 
Allen natürlichen Faserstoffen, ausgenommen Asbest, sind folgende Eigenschaften gemeinsam:
  • eine niedrige Entzündungstemperatur, sodass Schlagfunken oder ein glühender Zigarettenrest für eine Entzündung bereits ausreichen
     
  • die rasche Ausbreitung des Feuers über alle Ballen bei Fremdzündung
     
  • das tiefe Eindringen des Feuers in die Ballen
     
  • die Vergrößerung der Feueranfälligkeit bei Berührung mit Fetten oder trocknenden Ölen
Abbildung 179:
Trockenplatz für Sisal in Mexiko;
Foto: Ragna Scharnow
Abbildung 180:
Sisalballen: Die Faserbündel liegen parallel, um ein Brechen zu vermeiden. Die Ballen enthalten keine Emballage.
Foto: Ragna Scharnow

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